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Humanitäre Hilfe

Humanitäre Hilfe

\“Wolfgang Groß und sein Bruder Dieter gründeten 1979 den Verein \“humedica e.V.\“ aufgrund persönlicher Erfahrungen der Not in der \“Dritten Welt\“. Einige Jahre führte der gelernte Krankenpfleger Wolfgang Groß den Verein ehrenamtlich alleine weiter, schließlich als einziger angestellter Mitarbeiter. Mittlerweile hat der Verein 16 Vollzeit-, 4 Teilzeitmitarbeiter und 2 Auszubildende. Damals und heute wird eine effektive Hilfe aber nur möglich durch einen unermüdlichen Einsatz ehrenamtlicher Helfer aus allen möglichen Berufen und Altersschichten.

Der jüngste Arbeitszweig von humedica ist medizinische Hilfe in Form von ehrenamtlich tätigen Ärzteteams.

humedica unterhält eine Datenbank, in der sich derzeit mehr als 550 medizinische Fachkräfte registriert haben, die bereit sind, nach einer Katastrophe innerhalb kürzester Zeit in den Einsatz zu gehen. Christliche Hilfswerke wie Operation Mobilisation, Youth With a Mission oder Helping Hands stellen die notwendige Infrastruktur vor Ort zur Verfügung. Weltweit vernetzte Kommunikation ermöglicht medizinischen Fachkräften aus allen Teilen der Erde die Unterstützung der Arbeit der humedica-Teams.\“

Aus der Homepage von humedica e.V.

Mexico 2017

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Mexiko 2017

Jetzt geht es los: von einer Sekunde auf die andere öffnet der Himmel seine Schleusen und gibt soviel Wasser frei, dass man binnen Sekunden komplett durchnässt ist. Es hatte sich, wie an nahezu jedem Tag, bereits seit Stunden angekündigt. Das Auftürmen der Gewitterwolken konnte man täglich ab nachmittags beobachten, dazu ein fast kontinuierliches Donnergrollen. Jetzt, es ist bereits Nacht und ich liege schwitzend unter meinem Moskitoschutz im Freien unter einem Dach, das leider nicht so dicht ist, wie man sich wünschen würde, zucken die Blitze so hell und ist der gleich darauf folgende Donner so laut, wie wir es aus Deutschland nicht kennen. Wir hoffen, das wir in dieser Nacht trocken bleiben, das hängt von der Windrichtung ab. Und wir hoffen, das uns nicht eines der stärkeren Nachbeben im Schlaf treffen wird.

Ich muss an die Menschen denken, die Bilder des vergangenen Tages. Wie mag es ihnen jetzt gehen?

Wir haben viel Verwüstung gesehen, die das schwere Erdbeben mit Epizentrum im Südwesten Mexikos im September angerichtet hat. Alle Dörfer haben Tote zu beklagen. In manchen Dörfern steht kaum noch ein Stein auf dem anderen. Und die Häuser, die noch stehen, sind zumeist von Begutachtungstrupps der Regierung markiert worden. Es gibt zwei Markierungsvarianten: entweder das Haus ist einsturzgefährdet und wird zwangsweise vom Staat abgerissen, oder es ist nicht bewohnbar, darf aber instandgesetzt oder von den Eigentümern abgerissen werden. Die Markierungen sind nummeriert: in manchen Orten sehen wir Nummern nahe an die 3000.  

Überall dazwischen Menschen – Menschen, die alle im Freien schlafen, weil sie entweder kein Haus mehr haben oder sich nicht hineintrauen. Es sind nach Regierungsangaben momentan ca. 3 Millionen Menschen, die kein Obdach mehr haben und in allem auf fremde Hilfe angewiesen sind. Sie haben sich provisorischen Regenschutz aus Planen aufgehängt und liegen auf dem Boden oder in den allgegenwärtigen Hängematten.

Mückenschutz sehen wir kaum, und das in einer Gegend, wo mückenübertragende Krankheiten sehr häufig sind. Entsprechend sind die Krankheitsbilder, die wir behandeln: fiebernde Kinder, Erkältungen und orthopädische Probleme. Glücklicherweise nicht so viele Verletzte – hier hat die Erstversorgung nach dem Beben recht gut funktioniert. Was auch gut funktioniert in Mexiko, ist die private Hilfe: wir sehen immer wieder Privatautos, die zum Teil aus dem Norden des Landes angereist sind, um Decken, Medikamente und andere Hilfsgüter zu den betroffenen Menschen zu bringen. Da es an Ärzten fehlt, bekommen wir einige dieser Medikamentenspenden und können sie so sinnvoll für die Menschen verwenden.

Und so sitzen wir am Ende unseres 12-tägigen Einsatzes in der Region Oaxaca abends unter unserem lecken Dach zusammen, lauschen erneut dem näherkommenden Donnergrollen und sind uns einig: es war ein guter, ein sinnvoller Einsatz hier. Wir konnten fast 500 Menschen mit akuten Krankheiten behandeln, haben Aufklärungsarbeit geleistet und ein wenig Hoffnung zu Menschen gebracht, die momentan meist vor den Trümmern ihrer Existenz stehen und dennoch so gastfreundlich und liebenswert sind.

Serbien 2015

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Serbien 2015

Vom 17. September bis 3. Oktober 2015 nahm Herr Dr. Scholber in einem  6-köpfigen Einsatzteam unserer Hilfsorganisation Humedica auf Bitte des UNHCR an einem humanitären Hilfseinsatz in Serbien teil. Ziel war,  bei dem Aufbau einer medizinischen Erstversorgung für die Flüchtlinge in dieser Region zu helfen.
Einsatzschwerpunkt war die serbokroatische Grenze, an die sich der Flüchtlingsstrom nach Schließung der der serbsich-unagrischen Grenze durch die ungarische Regierung verlagert hatte. 

Seine Eindrücke nach Eintreffen im Einsatzgebiet übermittelte Dr. Scholber am 22.9.:

Die Szenerie ist gespenstisch: Massen von Flüchtlingen liegen dicht an dicht im schmalen Niemandsland zwischen Serbien und Kroatien bei Sid. Zahlreiche improvisierte Kleine Feuer aus Plastikabfällen verbreiten einen beissenden Gestank. Wer Glück hat, schläft in einem kleinen Zelt, sonst unter freiem Himmel mitten auf der Strasse. Wer das wilde Lager im Schein der Stirntaschenlampe durchquert, der muss aufpassen, nicht auf einen Schlafenden zu treten. Die Nacht ist sternklar und kalt, die Menschen frieren. Wenigstens regnet es nicht. Inmitten der gedrängten, provisorischen Nachtlager sitzt eine alte Frau im Rollstuhl, die seltsam deplatziert wirkt.
Vor dem kroatischen Grenzübergang steht eine aufgelockerte Polizeikette.
Junge ehrenamtliche Helfer verteilen unermüdlich Decken, Brot und Wasser. 6000 Flüchtlinge seien es in dieser Nacht, berichten sie. In der völlig unübersichtlichen Situation kann ich das nicht nachprüfen, 2000 sind es aber sicherlich.
Im Laufe des folgenden Tages werden die Flüchtlinge mit kroatischen Bussen abtransportiert. Wohin genau, das wissen sie nicht. Gegen 16 Uhr befindet sich kein Flüchtling mehr im Niemandsland, die Strasse wird gefegt. Man könnte glauben, die Ereignisse der letzten Nacht nur geträumt zu haben. In der nächsten Nacht wird sich der Ablauf an einem 20 Kilometer entfernten weiteren Übergang wiederholen. Die auffallend jungen Helfer (vor allem Helferinnen) aus Tschechien, Deutschland, Kroatien und Serbien werden wieder dabeisein.
 

Eine Reportage zur Lage auf der Balkanroute, erstellt von Journalisten von 1Life, die das Einsatzteam begleitet haben, finden Sie hier.

Philippinen 2013

Hier habe ich keinen Text gefunden.

Iran 2012

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Iran 2012

Nach dem Abendbrot sitzen wir bei einer Tasse Tee vor dem Haupteingang der Klinik zusammen. Der Haupteingang ist der ruhigste Platz auf dem Gelände. Kaum jemand kommt hier vorbei, denn aus Furcht vor Nachbeben wird in einer Zeltstadt am Ambulanzeingang behandelt.

Plötzlich scheint der Boden unter unseren Füssen zu schwimmen, wir müssen uns an der Parkbank festhalten. Ein heftiger Stoss erschüttert den Boden, das Gebäude ächzt. Wir bringen uns auf die Rasenfläche vor dem Klinikgebäude in Sicherheit. Ein banger Blick zurück: das Gebäude hat den Stoss ausgehalten, lediglich etwas Putz ist abgeblättert.

Im Behandlungszelt herrscht hektische Betriebsamkeit: Patienten weinen und schreien, die Erinnerung an das schwere Erdbeben vor Tagen hat sie in Panik versetzt. Eine junge Frau im Krankenbett hyperventiliert so stark, dass sie zu krampfen beginnt. Eine Vene für die Injektion eines Beruhigungsmittels ist kaum zu finden. Die Familie steht weinend am Bett, schliesslich bricht die Mutter zusammen und wird die nächste Patientin. Eine weitere junge Frau wird von ihrem besorgten Vater gebracht: seit dem Erdstoss fühle sie ihre linke Körperhälfte nicht mehr. Ihre Augen sind schreckgeweitet, sie zittert. Neurologische Ausfälle bestehen nicht, ich setze sie unter Betreuung des Vaters in eine ruhige Ecke des Zeltes, um sie später erneut zu untersuchen.

Noch stundenlang werden verängstigte Patienten in das Ambulanzzelt gebracht. Das Nachbeben soll die Stärke 5,4 gehabt haben, wie wir später erfahren.

Das verheerende Erdbeben vom 11. August 2012 mit einer Stärke von 6,4 hatte in über 350 Dörfern der iranischen Provinz Azerbaijan erhebliche Zerstörungen angerichtet, mehr als 150.000 Menschen waren betroffen. Am 13.08. war ich kurzfristig als Mitglied eines Humedica-Ärzteteams nach Ahar aufgebrochen. Von dort aus suchten wir mit geländegängigen Fahrzeugen voll medizinischer Ausrüstung entlegene Dörfer auf, um die Menschen zu behandeln. Unterstützt wurden wir dabei vom iranischen Roten Halbmond (entspricht unserem Roten Kreuz).

Inzwischen sind die medizinischen Hilfsmassnahmen dort abgeschlossen und Humedica hilft mit logistischen Massnahmen weiter. Bald beginnt in den über 2000 Meter hoch gelegenen Dörfern der Winter und die Menschen wohnen in Zelten, die Häuser sind ja zerstört. Allein die Beheizung der über 18.000 verteilten Zelte stellt eine grosse Herausforderung dar.

Dr. med. Christian Scholber

Äthiopien 2011

Äthiopien 2011

Hungersnot und Bürgerkrieg in Somalia

Am 18. August 2011 bin ich als Mitglied des dritten Humedica-Teams zusammen mit meiner ärztlichen Kollegin Mechthild Worthmann sowie den Koordinatoren Stefan Herla und Sven Ramones zu einem humanitären Noteinsatz in den von der schlimmsten Dürre seit vielen Jahren betroffenen südlichen Landstrichen Äthiopiens aufgebrochen. Nach einer 4-tägigen Reise – 3 davon auf grösstenteils unbefestigten Pisten – sind wir letztendlich in unserer Basisstation in Dolo Ado an der äthiopisch-somalischen Grenze angekommen. In diese abgelegenen Gegend im 3-Ländereck Äthiopien-Somalia-Kenia haben sich über 120000 Menschen – überwiegend Frauen und Kinder – geflüchtet, um der dürrebedingten Hungersnot und dem Bürgerkrieg in Somalia zu entgehen.

Über 40.000 Flüchtlinge in einem Lager

Die ankommenden Flüchtlinge werden, nachdem sie zunächst in einem Auffanglager nahe der Grenze registiert und erstversorgt wurden, auf insgesamt vier verschiedene Flüchtlingslager verteilt. Unsere Aufgabe bestand darin, uns um die Verbesserung der medizinischen Versorgung in einem dieser Lager zu kümmern. Melkadida (so der Name des Lagers) liegt ca. 70 km entfernt von Dolo Ado mitten in der Halbwüste. Hie sind seit knapp 2 Jahren Behelfsunterkünfte für 40000 Menschen geschaffen worden. Es gibt eine sogenannte Health station, die von der staatlichen Organsation für die Belange von Flüchtlingen ARRA betrieben wird. In dieser arbeiten ausgebildete Krankenpfleger. Angeschlossen sind auch ein stationärer Bereich sowie eine Geburtshilfestation. Medikamente werden ebenfalls vom äthiopischen Staat gestellt und nach Verordnung kostenlos an die Flüchtlinge verteilt.

Arbeit in der Gesundheitsstation

Während unserer Tätigkeit in Melkadida haben wir die drei Sprechstunden (emergency, OPD und „under 5“) ärztlich unterstützt und uns in der Verbesserung der Versorgung der stationären Patienten engagiert.
Insbesondere der Gesundheitszustand der kleinen Kinder ist immer noch schlecht. Unterernährung und als Folge diverse Infektionskrankheiten (überwiegend schwere Atemwegsinfekte) sind weit verbreitet. Viele der Kinder sind in so schlechtem Zustand, dass sie akut intravenöser Medikamente und Flüssigkeit bedürfen. Außerdem leiden viele Kinder wie Erwachsene unter schwerer Blutarmut. Manche Patienten stellen sich auch mit frischen oder älteren Kriegsverletzungen vor.

Lange Wege für Patienten und Helfer

Im Rahmen des langfristig angelegten Humedica-Projektes werden die nächsten Teams an der Optimierung der Versorgung in der health station weiterarbeiten und einen zweiten sogenannten health post an einem entfernten Punkt des Lagers errichten, um die Wege für die Kranken, die bisher bis zu 4 km lang sind, kürzer zu halten. Hierzu wird ein schon vorhandenes Grundstück nahe am Flüchtlingslager demnächst bebaut, damit Folgeteams die langen Anfahrtstwege erspart bleiben und eine 24-Stunden Bereitschaft etabliert werden kann.

Hilfe noch für lange Zeit nötig

Das Humedica-Team Anja Fröhlich, daneben unsere Köchin, Prof. Dr. Heinrich Laube, Koordinator Bashir, Koordinator Stefan Herla, Dr. Mechthild Worthmann, Dr. Ahmed, daneben unser Fahrer.

Wir verliessen Äthiopien am 7. September mit dem guten Gefühl, vielen Menschen akut geholfen unseren Teil am Aufbau eines äußerst sinnvollen medizinischen Projektes geleistet zu haben.
Denn die vom Bürgerkrieg und der langanhaltenden Dürre gebeutelten Menschen im Süden Äthiopiens werden noch lange Zeit nach dem Ende der Dürre Hilfe von außen benötigen.

Dr. med. Anja Fröhlich

Philippinen 2009

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Der Gestank ist allgegenwärtig. Er beisst in der Nase und zieht in die Kleidung. Kniehoch bedeckt fauliger Schlamm die Strassen, darin dümpeln Trümmer von Wohnungseinrichtungen, Müll und Tierkadaver. Als hätte ein verrückter Riese gewütet, liegen an der Strassenrändern umgekippte Autowracks, viele davon auf dem Dach. Auf einem Strommasten hängt ein zerbeulter, schlammbedeckter Kühlschrank.
Am Samstag, den 26. September war der Zyklon \“Ketsana\“ (\“Ondoy\“) über die Philippinen hinweggefegt und hatte die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten verursacht. Wasser-und Schlammlawinen ergossen sich über die tiefergelegen Teile der Megametropole Manila. Schlamm-und Wassermassen reichten bis zum zweiten Stockwerk.
Als Mitglied eines vierköpfigen Humedica-Teams war ich am Montag, den 28. September mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten nach Manila aufgebrochen, um mit gemeinsam dem örtlichen Kooperationspartner Scandinavian Childrens Mission in den am schlimmsten betroffenen, armen Stadtteilen medizinische Hilfe zu leisten.
Der Ortsbürgermeister von Marikina City sorgte für unseren ersten Behandlungsplatz: eine offene Basketballhalle, die in aller Eile wenigstens teilweise von Schlamm und Trümmern gereinigt wurde. Wir (zwei Ärzte, eine Kinderkrankenschwester und eine Koordinatorin) wurden an diesem Tag von zwei philippinischen Ärzten unterstützt. Die Schwestern und Helfer der Childrens Mission bauten hochprofessionell improvisierte Behandlungsstationen auf, philippinische UN-Soldaten sorgten für Ordnung und halfen bei der Registrierung und beim Übersetzen.
Die Patienten, darunter viele Kinder, litten unter Atemwegsinfektionen, Durchfall und Asthma. Ein besonderes Problem waren Schnittverletzungen an den Füssen, die beim Waten in der allgegenwärtigen, trümmergefüllten trüben Brühe entstanden waren. Viele Patienten litten unter Hautinfektionen, die meist ausgedehnt waren. Fast jeder hatte sich einen Fusspilz zugezogen.
Am nächsten Tag bauten wir einen Behandlungsplatz in einem Evacuation Center, einer Schule, auf. Dichtgedrängt sind dort diejenigen untergebracht, deren Wohnungen völlig unbewohnbar geworden sind. Die hygienischen Probleme einer solchen Massenunterkunft waren deutlich spürbar. Stinkender Müll überall. Barfuss und mit blossen Händen bemühten sich die Müllwerker, Herr der Lage zu werden.
Inzwischen versucht man, die enormen Schutt-und Müllmengen, die der Zyklon hinterlassen hat, einzusammeln und mit Lastwagen zu einer Hauptstrasse am Rand der Stadt fahren. Auf der halbseitig gesperrten Strasse wird der Müll provisorisch gelagert, der Gestank ist unvorstellbar. Die Mülldeponie, auf der ja auch Menschen wohnen, verkraftet diese Mengen offenbar nicht mehr und zum Verbrennen ist der Unrat noch zu feucht.
Der nahende Zyklon „Pepeng“ (\“Parma\“) verurteilte uns am Samstag zur Untätigkeit. Es wurde befürchtet, dass dieser Superzyklon, der noch stärker werden sollte als der erste, erneut auf Manila trifft. Im Fernsehen liefen rund um die Uhr Sendungen mit Warnhinweisen und Verhaltensregeln für die Bevölkerung. Die Geschäfte waren nach Hamsterkäufen leer, auf den sonst sehr belebten Strassen herrschte gespenstische Stille. Glücklicherweise verschonte „Pepeng“ Manila, ausser etwas Wind und Regen war nichts zu spüren.
Der nächste Behandlungstag führte uns in den schwer betroffenen Stadtteil Taytay. In dieser armen Gegend gibt es neben einfachen Steinhäusern zahlreiche Wellblechhütten und Unterkünfte aus Holzlatten und Plastikplanen. „High density areas“ nennt man diese überbevölkerten Stadtteile mit den bekannten hygienischen Problemen hier. Erhebliche Teile von Tay Tay stehen immer noch unter Wasser und es wird befürchtet, dass dies bis zum Dezember so bleibt.
Die Bewohner haben aus allem, was irgendwie dazu geeignet ist, Flösse gebaut: Holzlatten, Plastikteile, Dachelemente. Für den Auftrieb sorgen seitlich angebrachte leere Kanister. Auch eine umfunktionierte Badewanne wurde gesichtet. Diese wackeligen Gefährte werden von ihren Kapitänen gegen einen geringen Fahrpreis durch die trübe Brühe geschoben. Wer sich den Fahrpreis nicht leisten kann, watet bis zur Brust durch den Unrat.
In einer winzigen Kirche, an der das Wasser bis zur Türschwelle stand, hielten wir eine Sprechstunde ab. Es war gar nicht so einfach, die Ausrüstung trocken dorthin zu bringen. Unterstützt wurden wir von Mitarbeitern der Freien evangelischen Kirche, die uns auf die Not in dieser Gegend aufmerksam gemacht hatten. Die Kirchenmitarbeiter, ein deutsches Pastorenehepaar, eine Physiotherapeutin sowie Helfer und Zivildienstleistende aus Deutschland, waren selbst von der Flut betroffen, einige hatten alles verloren und hatten sich nur unter Lebensgefahr aus den stark strömenden Wassermassen retten können. Jetzt versorgten sie die Menschen hier mit Reis und Wasser. Wie an den vorhergehenden Behandlungstagen bestimmten Atemwegs-und Hautinfektionen das Bild, dazu kamen bei den Kindern schwere eitrige Gehörgangsentzündungen, verursacht durch das faulige Wasser.
Noch am gleichen Abend flog ich wie geplant nach Deutschland zurück. Meine Ablösung, eine Kollegin aus Portugal, kam wenige Stunden später in Manila an. Das Humedica-Hilfsprojekt, wird bis Mitte November fortgesetzt. Dies wird auch notwendig sein, denn die übelsten Folgen der Wasserverunreinigung sind erst in den nächsten Wochen zu erwarten.

Dr. med. Christian Scholber

Bangladesh 2009

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Einsatzbericht Bangladesh 12.-27.06.09

Am 10. Juni erreichte mich der dringende Aufruf von Humedica, im Zweitteam an einem Einsatz in Bangladesh teilzunehmen. Mehr als 2 Wochen zuvor hatte der tropische Zyklon Aila grosse Teile der südwestlichen Regionen des Landes verwüstet.
Und so ging es dann am 12.06. frühmorgens nach Frankfurt. Von dort flogen wir (Michal Becker und ich) über Bahrein nach Dhaka, der Hauptstadt des noch recht jungen Landes Bangladesh. Dort wurden wir schon von Mitgliedern unserer Partnerorganisation Koinonia empfangen. Nach einer umfassenden Übergabe durch das Erstteam, das sich auf der Rückreise nach Deutschland befand, ging es am nächsten Morgen per Auto weiter ins Einsatzgebiet. Dies liegt mehr als 400 km und 12 Stunden entfernt von der Hauptstadt im äußersten Südwesten des Landes an der Grenze zu Indien. Im äußersten Süden des Landes befinden sich die Sunderban-Sümpfe, ein riesiges, völlig unbewohntes Mangrovensumpfgebiet, das inzwischen zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Hier leben neben Elefanten auch noch freilebende Tiger, die durchaus noch eine Gefahr für die Bewohner in den anliegenden Dörfern darstellen.
Wir fanden Unterkunft bei Pater Luigi, einem wirklich beeindruckenden Priester aus Norditalien, der inzwischen seit 40 Jahren in Bangladesh lebt und arbeitet. Er gab uns das Gefühl, zu Hause zu sein, so wie er seit mehreren Jahren auch einer ganzen Reihe Mädchen im Alter zwischen 10 und 14 Jahren, die von ihren Eltern aus der Not heraus verheiratet werden sollten, einen Unterschlupf und Ausbildung bietet.
Die Lebensbedingungen in der betroffenen Region sind gerade jetzt, zu Beginn der Regenzeit, durchaus problematisch. Tagestemperaturen über 40°C, Nachttemperaturen nicht viel niedriger, hohe Luftfeuchte, häufige Strom- und somit Ventilatorausfälle, nur Salzwasser für die persönliche Hygiene und vieles mehr erschweren so manche sonst einfache alltägliche Tätigkeit.
Aber um wie viel schlimmer geht es den Menschen dort.
Sie leben in einer Region, wo nur mittels Dämmen den zweimal täglich auflaufenden Gezeiten Einhalt geboten wird. Ihre Dörfer und Reisfelder sind von der Qualität dieser Dämme abhängig. Diese wiederum werden an vielen Stellen aufgeweicht durch Einschnitte, die für riesigen Shrimpsfarmen der Region notwendig sind. Hierdurch werden die Dämme das ganze Jahr über durchweicht und stellen für Wirbelstürme kein Bollwerk mehr da. Grosse landwirtschaftliche Flächen sind außerdem den Shrimpsfarmen zum Opfer gefallen. Unnötig zu sagen, dass der Ertrag des “weißen Goldes” nicht bei den Erzeugern, sondern bei den Händlern (sowohl nationalen als auch internationalen) bleibt. So leben die Menschen schon in normalen Zeiten auf einem Pulverfass, stets bedroht von Dammbrüchen. Sie haben kaum den täglichen Reis, geschweige denn ausreichend Vitamine und Spurenelemente. Fast alle Menschen, insbesondere die Kinder und die Schwangeren, leiden an Mangelkrankheiten wie Nachtblindheit (Vitamin A Mangel) und Skorbut (Vitamin C Mangel) sowie Blutarmut.
Als der Zyklon Aila dann über das Land fegte, riss er in grossem Umfang Dämme ein und überschwemmte grosse Landstriche. Die Behausungen der Menschen (meist Hütten aus Lehm und Blättern) wurden in vielen Orten zu 98% zerstört. Die Menschen flüchteten sich auf die verbliebenen Dämme, wo sie bis heute unter provisorischen Zeltplanen Schutz vor Sonne und regen suchen. Einzig dem Unwetter trotzen konnten die aus Beton erbauten Zyklonshelter. Zwei davon wurden nach dem letzten Zyklon im Jahre 2007 von Humedica. finaniziert.
Was aber noch fast schlimmer ist als der Verlust der Häuser, ist der absolute Mangel an sauberem Trinkwasser. Das allgegenwärtige Flußwasser ist eher eine Kloake, die inzwischen aufgestellten Trinkwassercontainer enthalten zum Teil eine fragwürdige braune Brühe, Feuerholz zum Abkochen ist nicht ausreichend vorhanden. Dementsprechend haben wir vor allem Durchfallerkrankungen und schwere Hautinfektionen behandelt.

Insgesamt konnten wir als zweites Team über 900 Menschen akute medizinische Hilfe leisten. Nun wird die Intensivierung der logistischen Hilfe immer wichtiger. Denn die Menschen werden voraussichtlich noch lange Zeit völlig von Hilfe von außen abhängig sein, da die Reisfelder versalzen sind und die Dämme frühestens im Oktober zum Ende der Regenzeit repariert werden. Das bedeutet, dass die diesjährige Hauptreisernte ausfallen wird. Momentan organisiert unsere Partnerorganisation Koinonia grosse Hilfsmittellieferungen ins betroffene Gebiet. Bisher konnten mehr als 2000 Familien mit dem Nötigsten versorgt werden.
Wir durften am 27.06. wohlbehalten in unsere behütete und reiche Realität zurückkehren. Es bleiben viele lehrreiche Erfahrungen, Erinnerungen an besondere Menschen und neue Freunde sowie der Wunsch, dass irgendwann alle Menschen ein lebenswürdiges Leben führen dürfen.

Dr. med. Anja Fröhlich

Myanmar 2008

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Eine Woche vor Pfingsten 2008 fegte der verheerende Zyklon Nargis über Burma hinweg. Über 2 Millionen Menschen im Irrawaddy-Delta hatten weder sauberes Trinkwasser noch ausreichend Nahrungsmittel oder gar medizinische Versorgung.
Humedica war mit medizinischen Hilfsteams, darunter auch Dr. Christian Scholber, und über 400 Kilogramm Medikamenten nach Rangun geflogen, um die lokale Partnerorganisation mit Medikamenten und deren Ärzteteams personell zu unterstützen.
Leider wurde Ausländern der Zugang in die am stärksten betroffene Region im Irrawaddydelta nicht gestattet, so dass die Hilfe heimlich erfolgen musste.
Jetzt liegt der Fokus auf der Unterstützung der Partnerorganisation, deren einheimische Mitarbeiter sich auch im Delta frei bewegen und mit mobilen Ärzteteams Hilfe leisten können.
Herr Dr. med. Scholber ist wohlbehalten und natürlich mit vielen Eindrücken nach Deutschland zurückkehrt.

Nepal 2007

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Hilfseinsatz in Nepal

Am Montag, dem 06.08.2007 erreichte mich gegen Mittag ein Aufruf der Hilfsorganisation Humedica: medizinisches Personal für einen Einsatz im Flutgebiet in Südostasien wird dringend benötigt. Dort war es nach wochenlangen heftigen Monsunregen in Indien, Bangladesh und Nepal zu gewaltigen Überschwemmungen gekommen, von denen insgesamt über 25 Millionen Menschen betroffen waren und bei denen Schätzungen zufolge ca. 6 Millionen Menschen ihr Obdach verloren haben. Die schlechten hygienischen Bedingungen und der Mangel an sauberem Trinkwasser liessen den Ausbruch von Seuchen befürchten.

Schwieriger Start

Nach kurzer Überlegung und telefonischer Zusage war dann schon am Nachmittag klar, dass es am nächsten Morgen losginge. Und so starteten Dr. Ulrich Seemann aus Hambühren und ich dann am 07.08 um 7.00 ab Hannover. In München noch schnell Visa für Nepal geholt, und dann ging es los nach Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal. Am Flughafen wurden wir von unseren dortigen Kontaktpersonen, Mitgliedern der Familie Tamang, abgeholt. Schnell stellte sich heraus, dass unsere europäischen Handys in Nepal nicht funktionieren, dass das Festnetz völlig überlastet ist und die extra mitgenommenen Satellitentelefone auch ihren Dienst verweigerten. Darüber hinaus galt es, noch diverse organisatorische Schwierigkeiten zu überwinden. Erst einmal die Arbeitserlaubnis, dann der Versuch, schnell ein Visum für Indien zu bekommen, um, wie eigentlich geplant, jenseits der Grenze in einem gut ausgestatteten Krankenhaus in der Flutregion mit erheblichem Personalmangel arbeiten zu können, dann die Nachricht, dass das Einsatzgebiet auf nepalesischer Seite wegen einer Blockade nicht erreichbar sei. Auch gelang es uns nicht, unsere Medikamente aus dem Zoll zu bekommen.

Arbeiten bei hoher Temperatur und Feuchte

Trotz aller Widrigkeiten gelang es uns, am 11.08. mit Arbeitserlaubnis, aber immer noch ohne Medikamente, per Flugzeug in das am meisten betroffene Gebiet, die Region um Nepalgunj im Westen des Landes, aufzubrechen. Nepalgunj ist eine recht vernachlässigte Provinzstadt an der Grenze zu Indien. Sie liegt im Terai, einer fruchtbaren, aber sonst aufgrund der klimatischen Bedingungen sehr lebensfeindlichen Tiefebene, die erst durch umfangreiche Spritzaktionen in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in größerem Umfang besiedelbar wurde. Das Klima ist feuchtheiß mit Tagestemperaturen um 50°C und fast 100%iger Luftfeuchtigkeit. Auch die Nächte bringen nur wenig Abkühlung.
Wir bezogen Quartier in einem Hotel, von dem aus wir in den Folgetagen eine mobile Klinik organisierten. Dies war ein durchaus umständliches Unterfangen, weil wir uns um die Medikamenten- und Verbandmittelbevorratung komplett selbst kümmern mussten.
Das hieß, täglich bedarfsgerecht einzukaufen in der Hoffnung, dass unsere Medikamente aus Kathmandu doch noch ankommen.

Viele Hilfsbedürtige, widrige Bedingungen

Nach der Ankunft ging es dann sofort in einem Allradjeep und mit Dolmetscher ins Einsatzgebiet. Die Flut hatte sich inzwischen zurückgezogen, zurück geblieben waren schlammige, fast unbefahrbare Wege und viele Menschen, die alles verloren hatten und sich nun in Behelfsunterkünften sammelten.
Unser erster Einsatzort, Big Refeam, war eigentlich ein Haufen in Ruinen liegender Steinhäuser, in denen bis zu 80 Menschen je Haus Unterschlupf vor den Launen der Natur suchten. Die Menschen hatten überwiegend nichts als ihre Kleidung. Einen Brunnen und somit halbwegs sauberes Trinkwasser gab es nicht. Zudem war der Ort kaum erreichbar, auch kurze Regengüsse führten dazu, dass der schlammige Damm, der einzige Zufahrtsweg, praktisch unbefahrbar wurde.

Glück im Unglück

Nach 2 Tagen ging es dann weiter in das von der Flut erheblich betroffene Dorf Tarruva, dessen Zufahrt durch den Dschungel nicht minder abenteuerlich war. Hier passierte dann auch, wovor sich alle gefürchtet hatten: der Allradjeep rutschte mit einer eleganten Bewegung in einen Wassergraben und nur ein zufällig herumstehender Baum verhinderte Schlimmeres.
Aber auch diesmal hatten wir Glück: Niemand musste Bekanntschaft mit den reichlich vorhandenen Schlangen machen, und schließlich fand sich sogar ein Trecker, der das Auto wieder flott machte, während wir die Sprechstunde abhielten.

Einsatz im Schlamm – Hilfe durch UN

In der darauffolgenden Nacht setzten wieder schwere Monsunniederschläge ein und die Provinzstadt Nepalgunj stand erneut unter Wasser. Der Zugang zu unseren ersten Einsatzortenmwurde unmöglich. Auf Anraten der UN begaben wir uns auf den Weg weiter nach Westen, wo ersten Meldungen zufolge noch viele Menschen in abgelegenen Gebieten auf medizinische Hilfe warteten. Es hatte dort schon Fälle von Cholera und Typhus gegeben. Nach mehrstündiger Fahrt und Überquerung eines recht grossen Flusses über eine Furt erreichten wir so unser neues Einsatzgebiet, eine deltaähnliche Schwemmlandschaft um den Ort Tharurkdwara. Wir fanden glücklicherweise ein festes Quartier in einer im nahegelegenen Royal Bardia National Park gelegenen Urwaldlodge. Schnell stellte sich heraus, dass unsere neuen nepalesischen Handys hier kein Netz mehr hatten und auch keine Festnetzverbindung nach Kathmandu herzustellen war. Die einheimischen Verantwortungsträger (Medical health officers, Rotes Kreuz und die Gemeindevorsteher) erwiesen sich aber als ausgesprochen kooperativ und hilfsbereit. Binnen weniger Stunden war ein Plan für die nächsten 4 Einsatztage aufgestellt

Durchfall, Hautinfektionen und Malaria

Und so arbeiteten wir am 1. Tag in einem umfunktionierten Unterstand für Vieh nahe dem Dorf Sufaja, das immer noch unzugänglich war. Die Bewohner hatten sich in den nahegelegenen Urwald des Nationalparkes geflüchtet und hatten seit der Flut keine medizinische Hilfe bekommen. Wir behandelten viele Menschen mit Durchfallerkrankungen, Hauterkrankungen und Malaria. Am nächsten Tag konnten wir unter besseren Bedingungen im Schulgebäude des Dorfes Shiva Pur arbeiten.
Am darauffolgenden Tag ging die Fahrt wieder über den Fluss in ein entfernt gelegenes Dorf, in dem überwiegend die bitterarme Urbevölkerung der Gegend lebt. Auch in Suryapatuja-Ragware gab es neben vielfältigen infektiös bedingten Hauterscheinungen überwiegend Durchfallerkrankungen, Infekte und Malaria zu behandeln.

Unschätzbare persönliche Erfahrungen

Nach einem weiteren Behandlungstag in Shiva Pur und einer anrührenden Verabschiedung durch die Dorfbewohner ging es dann am 21. 08. zurück nach Nepalgunj – glücklicherweise liess sich der Fluss immer noch passieren. .Die Rückreise verlief dann, abgesehen von einer kompletten Strassenblockade in der Hauptstadt Kathmandu, die eine Fortbewegung mit dem Auto erheblich erschwerte, problemlos.
Trotz der schwierigen Bedingungen hat sich der Einsatz ganz sicher gelohnt – wegen der konkreten Hilfe, die wir den Ärmsten der Armen geben konnten, aber auch wegen der unschätzbaren persönlichen Erfahrungen, der beeindruckenden und liebenswerten Menschen, die ich kennenlernen durfte und der Dankbarkeit, die man empfindet, wenn man wieder nach Hause in sein festes Häuschen mit dem Trinkwasser in der Wasserleitung und dem gut gefüllten Kühlschrank darf.

Dr. med. Anja Fröhlich

Sudan 2005

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Zum ersten mal unterwegs mit Humedica

Am 11. Dezember 2005 ging es endlich los… nach Absolvierung des Humedica-Basislagers, in dem wir Vieles über die Organisationsstrukturen der humanitären Hilfe und das richtige Verhalten im Einsatz gelernt hatten, sollte dieses neu erworbene Wissen nun an der Wirklichkeit erprobt werden.

Für mich war es der erste humanitäre Hilfseinsatz, die erste Reise nach Afrika und das erste Mal, viele Wochen von den geliebten Menschen daheim getrennt zu sein.
Entsprechend gross war die Aufregung, als ich allein die mindestens 3-tägige Reise in den Sudan antrat. Es ging über Düsseldorf und Dubai nach Khartoum, wo glücklicherweise unser Kontaktmann vor Ort mich abholte und in die angemieteten Räumlichkeiten unserer Organisation brachte.

Hier bekam ich meine erste Lektion: Nichts geht so schnell und reibungslos wie zu Hause – und so saß ich erst einmal 2 Tage fest, bis die notwendigen Papiere für die Weiterreise besorgt waren.

Wie eine Reise ans Ende der Welt

Der Flug in den Westsudan nach Nyala kam mir ein wenig vor wie eine Reise ans Ende der Welt – über Stunden nur Wüste, keine Strassen, kaum Spuren menschlicher Besiedlung, der eine oder andere Zwischenstopp auf Wüstenpisten.
Schließlich am Ziel angekommen und von den lieben Menschen von Humedica herzlich empfangen, staunte ich nicht schlecht, die Infrastruktur dieser ehemals recht unwichtigen Provinzstadt von 50000 Einwohnern zu sehen. Vor Ort waren an die 90 internationale Hilfsorganisationen, alle mit entsprechendem Personal, Fahrzeugpark und Compound (das ist sozusagen das Basislager vor Ort, Wohn- und Schlafraum, Büro, Medikamentenlager, Kommunikationszentrale u.v.m.), außerdem sehr viel sudanesisches Militär und auch internationale Truppen der afrikanischen Union. Humedica war damals eine der kleinern Hilfsorganisationen in Nyala; wir waren 4 Expatriats (ausländische Helfer) und ca. 50 Einheimische. Die Expatriats lebten zusammen in einem landesüblichen, mit Mauern umgebenen Wohnhaus, sehr idyllisch mit schattigen Innenhof und auch recht einfach – aber es fehlte uns an nichts.

Allgegenwärtige Reitermilizen

Morgens fuhren wir dann – wegen der allgegenwärtigen Djanjawid (Reitermilizen) aus Sicherheitsgründen im Konvoi und mit Funkgerät, Handy und Satellitentelefon bewaffnet – ca. 10 km aus der Stadt hinaus zum Flüchtlingscamp El Shereif, in dem zum damaligen Zeitpunkt ca. 10000 Menschen lebten. Wir, d.h. ein sudanesischer Kollege, ein Medizinstudent und ich, waren zusammen mit dem einheimischen Personal zuständig für die basismedizinische Versorgung der Menschen im Lager. Hierzu gehörte auch eine Geburtsklinik, die von einheimischen Hebammen betreut wurde, mit angegliedertem Familienplanungsprogramm sowie eine WHO-Impftstelle. Wir konnten seinerzeit ca. 600 Patienten/Woche versorgen.
Die Arbeit war in jeder Weise eine Herausforderung – andere Menschen aus einem ganz anderen Kulturkreis, eine andere Sprache, andere Krankheiten und nicht zuletzt auch ganz andere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten – einfach alles war ganz anders als zu Hause. Hinzu kamen natürlich die anderen eigenen Lebensumstände und die zum Teil auch recht anstrengenden klimatischen Bedingungen in einem äquatornahen Wüstenklima zur Trockenzeit. Der Tag dauerte von 7.30 Uhr bis höchstens 22 Uhr, dann waren zum einen die Kräfte erschöpft, zum anderen fing die nächtliche Ausgangssperre an.
Wertvolle Erfahrungen

Die Tage und Wochen vergingen wie im Flug, und Mitte Januar hieß es Abschied nehmen von vielen inzwischen liebgewonnenen Menschen. So kehrte ich heim in eine andere Welt. Von der Rückreise erinnere ich noch an die Dusche im Transferhotel in Dubai und den Blick meines Lebensgefährten, als ich ihm einen übrig gebliebenen Schluck Wasser aus Khartoum zu kosten gab. Ja, Wasser kann so köstlich sein. Seither trinke ich gern auch mal Leitungswasser.

Die Zeit in Dafur war eine ganz außerordentliche und in jeder Hinsicht sehr wertvolle Erfahrung, an die ich auch heute noch gern zurückdenke und in der Zukunft gern anknüpfen würde.

Inzwischen umfangreiches Hilfsprogramm

Inzwischen hat sich dort Vieles verändert. Was zunächst mit einem kleinen Ärzteteameinsatz begann, hat sich mittlerweile zu einem umfangreichen Hilfsprogramm mit 220 sudanesischen und 8 internationalen Mitarbeitern ausgeweitet.

Humedica betreut hier etwa 150.000 Flüchtlinge in den Auffanglagern El Sereif, Otash und Al Salam, wo die Organisation jeweils eine medizinische Ambulanzstation betreibt sowie einen Entbindungsservice rund um die Uhr anbietet. Außerdem sind wir in der Lage, etwa 5000 Kindern Unterricht in einfachen Camp-Schulen zu ermöglichen, dies mit Hilfe der befreundeten Partnerorganisation Kindernothilfe.

Dr. med. Anja Fröhlich